Thema: Unschuldsvermutungsverdacht

Ostarrichi > Wörterdiskussionen > Unbekannte Woerter

Unschuldsvermutungsverdacht
08.09.2010 von JoDo

Unschuldsvermutungsverdacht
08.09.2010 von JoDo

Gerade in einem Zeitungskommentar gelesen.
gestern, 20:43
Welcher dieser sog. Leistungsträger (Ich nenne sie Parasiten) ist eigentlich NICHT unter Unschuldsvermutungsverdacht?

Und wie groß ist die Dunkelziffer?
http://kurier.at/nachrichten/2030315.php

Was haltet ihr davon?
Aufnehmen?
vlG
JoDo

Re: Unschuldsvermutungsverdacht
10.09.2010 von Koschutnig

Warum nicht? So eine Prägung ist doch auch ein Beweis für die hohe Qualität des heimischen Bildungssystems, das imstande ist, derartige Sprachkünstler hervorzubringen. Innovative und kreative Geister, die braucht das Land!

Leistungsträger = Parasit ist aber auch nicht von schlechten Eltern!

Ich hätt´ da noch die bereits mehrmals gefundenen "Honigtauerzeuger" (= Schildlaus, Rindenlaus) anzubieten. Keine Laus rührt sich da mehr.
Wen wird´s da noch vorm Waldhonig grausen?
Die "Copywriter" (http://de.wikipedia.org/wiki/Werbetexter) sind ja mindestens so erfinderisch wie unsere Zeitungsmacher, doch das beschränkt sich ja nicht auf Österreich.
Aus dem Bekleidungsbereich: "Body" ( = Körper, häufig auch Leiche) für "Bodystocking" (http://de.wikipedia.org/wiki/Bodysuit);
"Basket" (= Korb) für "Baketballschuh";
und jüngst hab ich gelesen: " Strick: €9,9o": "Schön teuer", dachte ich, "auch wenn er von € 19,90 reduziert ist!"
Aber gemeint war "Strickjacke, Strickweste". - Da lob ich mir doch mein "Märzen"!

Zwar mag sich manch sangesfreudiger Deutscher kurz wundern, dass der österreichische Bauer seine Rösslein in bestem Bier anspannt ("Im Märzen der Bauer..."), doch warum kriegt eigentlich keiner einen Stein serviert, der ein "Mineral" verlangt?
Sind wir so mundfaul geworden, dass uns die Grundwörter im Hals stecken bleiben? Nein, das kann´s eigentlich nicht sein, wenn man andererseits den Unschuldsvermutungsverdacht erfindet. Das ließe sich sogar noch ausbauen: Unschuldsvermutungsverdachtslage, Unschuldsvermutungsverdachtsmomente...

Jdoch - w i e verdeutscht man eigentlich den "Unschuldsvermutungsverdacht" fürs Wörterbuch? Ich komm' und komm' nicht drauf. Ist das nicht irgendwie ein wenig wie bei der "Todesgefahr", die doch das Gegenteil von "Lebensgefahr" sein müsste? Hiiilfe!!

Re: Unschuldsvermutungsverdacht
11.09.2010 von JoDo

Sixdas!
Soweit sind meine Gedanken gar nicht gediehen, dass ich mir selbige bezüglich einer adäquaten Übersetzung machte (måchn dädadat).
´Unschuldsvermutungsverdacht´, Das wäre ja ein Pleionasmus/eine Tautologie/oder - nach Bedarf - ein Oxymoron, also, wie könnte man das übersetzen?
"Obwohl die Unschuld eines Beschuldigten bis zum Urteil eines Prozesses unterstellt werden muss, liegen doch gehörige Zweifel, ja Verdachtsmomente vor."
oder so ähnlich ...

Re: Unschuldsvermutungsverdacht
23.11.2010 von Brezi

Also ich meine, wenn man die Sache logisch angeht (was im Dunstkreis der Wissenschaften rund um die Linguistik natürlich von vorn herein naiv ist), aber wenn man es logisch angeht, dann ist Unschuldsvermutungsverdacht, dass man jemanden verdächtigt, auf jemanden die Unschuldsvermutung anzuwenden. Oder (schon etwas weiter hergeholt) es liegt ein (begründeter?) Verdacht vor, dass für jemanden die Unschuldsvermutung gilt. Weit hergeholt deshalb, da das Wort Verdacht meiner Meinung nach nur im Zusammenhang mit Sachverhalten wie z. B. Gefahren, Krankheiten oder Tatbeständen sinnvoll ist. Man kann nicht sagen: Morgen Verdacht auf schönes Wetter. Also hätte ich mich da fast verdacht.

Zum "Strick": das ist tatsächlich ein besonders beachtenswerter Exzess dieser allgemeinen Tendenz. Interessant, warum bei "Ein Mineral bitte" jeder sofort versteht, was gemeint ist, wohingegen "Einen Orangen bitte" eher eine zerfurchte Kellnerstirn bewirken wird.

Ausnahmsweise haben es die Tschechen da leichter [1]. Mineralwasser heißt auf schön "ordentlich" Tschechisch minerální voda. Da das aber im täglichen Sprachgebrauch wohl jedem zu lang ist (auch einem Philologen oder Juristen), verlangt man im Wirtshaus einfach eine 'minerálka'. Am besten vielleicht "Matonka", die analog gekürzte Bezeichnung für ein Mattoni-Mineralwasser, das trotz des italienischen Namens ein urtschechisches Getränk ist. Aber schon Der Herr Karl beantwortete seine eigene Frage "Wia haaßt des Minaralwossa?" mit der Abgeklärtheit eines erfahrenen Mannes, dem nimaund wos dazön kau: "Wossa is Wossa".

Was mich aber interessiert: Wie heißt eigentlich korrekt das, wozu man in Deutschland "der Tropf" sagt? Ich meine nicht den armen Tropf, den armen Kerl also, sondern dieses Gerät, an das man "gehängt" wird, wenn man eine Infusion bekommt?

Weiß das Koschutnig?

[1]An sich sind ja wir Germanen, was das Bilden zusammengesetzter Begriffe betrifft, eindeutig im Vorteil. Man versuche sich doch einmal vorzustellen, wie man "Rotweinglas" auf Französisch sagt. Sicher nicht mit einem einzigen Wort. Ich vermute so was wie "verre à vin rouge", bin aber vorsichtig, seit man mich gegen meine Behauptungen der glatten Unkenntnis des Stadtberner Dialekts überführt hat. Französisch kann ich ganz sicher noch schlechter. Aber zurück zum "Zammpicken" von Substantiven. Gerade mal die Ungarn oder andere "Agglutinierer" können das so locker wie wir. Vörosborpohár hieße das Wort vermutlich auf Ungarisch (ohne Gewähr).

Die nichtgermanischen Indoeuropäer müssen sich mit adjektivischen Konstruktionen (Spiritus vini = Weingeist[2]) oder gar Adverbgruppen ("Glas zum Trinken von rotem Wein", oh Gott!) herumplagen. Oder sie verwenden eben Abkürzungen. Manchmal geht's aber auch im Germanischen nicht so glatt wie gerne gehabt. Und deshalb sagen die Angelsachsen statt "nuclear power station" einfach "nuke". Vielleicht sagen wir zum Kernkraftwerk auch eines Tagers nur Kern.

[2] während man auf Englisch ganz einfach wine ghost sagen kann

Hat das jetzt der Findung einer Antwort auf die Ausgangsfrage genützt. Wahrscheinlich nein, aber mir hat's Spaß gemacht. Es war übrigens dies das erste Mal, dass ich innerhalb einer Fußnote eine weitere platziert habe.

Re: Unschuldsvermutungsverdacht
24.11.2010 von Koschutnig

iWas mich aber interessiert: Wie heißt eigentlich korrekt das, wozu man in Deutschland "der Tropf" sagt? Ich meine nicht den armen Tropf, den armen Kerl also, sondern dieses Gerät, an das man "gehängt" wird, wenn man eine Infusion bekommt?
canoo.net: Tropf: Nomen, maskulin, im Sinne von Infusion http://tinyurl.com/39eahgu

Wissen.de: Tropf
umgangssprachliche Bezeichnung für eine Dauertropfinfusion. Auch Infusion.

DUDEN ist schon weiter; nichts mehr von "Umgangssprachlich":
Tropf, der; -[e]s, -e [zu →tropfen] (Med.): Vorrichtung, bei der aus einer Flasche... http://tinyurl.com/2wjqu4z
Willst du du mehr erfahren, musst du zahlen

DWDS:
Tropf, der; -(e)s, -e /Pl. ungebräuchl./ Neuprägung. Med. Vorrichtung, bei der ständig aus einer erhöht angebrachten Flasche Flüssigkeit über einen Verbindungsschlauch in die Vene des (ohnmächtigen) Patienten tropft: am T. hängen http://www.dwds.de/?kompakt=1&qu=tropf

Wer an solchem Infusionsgerät hängt, ist wahrlich ein armer Tropf!
Auch hierzulande!
Doch:
Packt dich das Leben hart beim Schopf, bist du noch lang kein armer Tropf!

Tropf, tropf, tropf,...
Laut Karl May die grauenhafteste Foltermethode, die auch den verstocktesten Sünder zum Flehen treibt, endlich ein Geständnis ablegen zu dürfen.

K.

Einloggen





Impressum | Nutzung | Datenschutz

Das Österreichische Volkswörterbuch ist eine Sammlung von österreichischen Wörtern. Als Volkswörterbuch stellt es nicht nur die Sprache der Bevölkerung dar, sondern bietet jedem die Möglichkeit selbst mit zu machen. Derzeit sind über 1400 Wörter im Wörterbuch zu finden und über 10.000 Wörter wurden schon eingetragen.

Österreichisches Deutsch bezeichnet die in Österreich gebräuchlichen sprachlichen Besonderheiten der deutschen Sprache und ihres Wortschatzes in der hochdeutschen Schriftsprache. Davon zu unterscheiden sind die in Österreich gebräuchlichen bairischen und alemannischen Dialekte.

Im österreichischen Volkswörterbuch gehen wir darüber hinaus und bieten eine einzigartige Sammlung von Dialekten, Austriazismen und generell wichtigen Wörtern in Österreich. Teile des Wortschatzes der österreichischen Standardsprache sind, bedingt durch das bairische Dialektkontinuum, auch im angrenzenden Bayern geläufig. Die Seite unterstützt auch Studenten in Österreich, insbesondere für den Aufnahmetest Psychologie und den MedAT für das Medizinstudium.

Einige Begriffe und zahlreiche Besonderheiten der Aussprache entstammen den in Österreich verbreiteten Mundarten und regionalen Dialekten, viele andere wurden nicht-deutschsprachigen Kronländern der Habsburgermonarchie entlehnt. Eine große Anzahl rechts- und verwaltungstechnischer Begriffe sowie grammatikalische Besonderheiten gehen auf das österreichische Amtsdeutsch im Habsburgerreich zurück.

Zusätzlich umfasst ein wichtiger Teil des speziell österreichischen Wortschatzes den kulinarischen Bereich.

Daneben gibt es in Österreich abseits der hochsprachlichen Standardvarietät noch unterschiedliche zahlreiche regionale Dialektformen, hier besonders bairische und alemannische Dialekte. Diese werden in der Umgangssprache häufig genutzt, finden aber keinen direkten Niederschlag in der Schriftsprache.

Hinweis: Das vom österreichischen Unterrichtsministerium mitinitiierte und für Schulen und Ämter des Landes verbindliche Österreichische Wörterbuch, derzeit in der 44. Auflage verfügbar, dokumentiert das Vokabular der deutschen Sprache in Österreich seit 1951 und wird vom Österreichischen Bundesverlag (ÖBV) herausgegeben. Unsere Seiten und alle damit verbundenen Seiten sind mit dem Verlag und dem Buch "Österreichisches Wörterbuch" in keiner Weise verbunden.

Unsere Seite hat auch keine Verbindung zu den Duden-Nachschlagewerken und wird von uns explizit nicht als Standardwerk oder Regelwerk betrachtet, sondern als ein Gemeinschaftsprojekt aller an der österreichichen Sprachvariation interessierten Personen.